Zwei Brüder, nicht leibliche Brüder, sondern »Blutsbrüder«, verbunden durch einen Schwur, den sie im polnischen Untergrundkampf gegen das kommunistische Regime geleistet haben, gehen nach dessen Zusammenbruch getrennte Wege. Der eine, Mateusz, steigt in höchste Ämter auf und wird schließlich polnischer Ministerpräsident. Der andere, Adam, macht nach dem EU-Beitritt Polens in der Europäischen Kommission Karriere, in Brüssel ist er zuständig für die Erweiterungs-Politik. Während die Vorbereitungen für die Westbalkankonferenz im polnischen Poznan auf Hochtouren laufen, bittet Adam Mateusz um Unterstützung, doch der beginnt das Beitrittsgesuch Albaniens zu unterminieren. Aus der einstmals tiefen Verbundenheit wird eine unversöhnliche Feindschaft von europäischer Dimension.
Auf einer vom albanischen Ministerpräsidenten organisierten Kreuzschifffahrt auf der SS Skanderbeg, zu der er alle Regierungschefs der Balkanstaaten, die EU-Außenminister und sämtliche Vertreter der Europäischen Union eingeladen hat, treffen die Beiden wieder aufeinander. Was dann passiert, steht längst nicht mehr in ihrer Macht.
Moderation: Pia Reinacher & Hajo Steinert
Robert Menasse
Robert Menasses Roman „Die Hauptstadt“ (2017) wurde weltweit als erster Roman der Europäischen Union gefeiert, und rangierte wochenlang unter den Top 10 der Literatur. Im selben Jahr erhielt der österreichische Schriftsteller dafür den deutschen Buchpreis. Nun führt Robert Menasse mit seinem neusten Buch „Die Erweiterung“ (2022) seinen erfolgreichen EU-Romanzyklus fort. Das neue Buch ist gleichzeitig Tragödie und Satire, enthält Liebesgeschichten und historische Lektionen. Wie bereits in „Die Hauptstadt“ transportiert Menasse literarisch viel Wissen über die bürokratischen Vorgänge in Brüssel, mischt Fakten mit Fiktion und verknüpft individuelle Schicksale mit dem Weltgeschehen. Sein neuster Wurf kreist dabei um die europäische Erweiterungs-Politik, Polen und Albanien.
Dass der österreichische Schriftsteller und Essayist ein wortgewaltiger Romancier ist, der keineswegs nur das politische Register zieht, sondern auch das Fach der Liebesgeschichten, der Familiensagas, und der Gelehrtensatire beherrscht, zeigen viele seiner Romane und Erzählungen. Robert Menasse wurde 1954 in Wien in einer jüdischen Familie geboren. Sein Vater hatte Österreich im Jahre 1938 mit einem der letzten Rettungstransporte für jüdische Kinder in Richtung England verlassen können. Menasses Halbschwester Eva Menasse ist ebenfalls als Schriftstellerin tätig.
Menasse studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte in Wien, Salzburg und Messina. 1980 promovierte er mit einer Arbeit über den „Typus des Aussenseiters im Literaturbetrieb“. Von 1981 bis 1988 lehrte er als Lektor, dann als Gastdozent am Institut für Literaturtheorie an der Universität São Paulo in Brasilien. Seit seiner Rückkehr aus Brasilien 1988 lebt Robert Menasse als Literat und kulturkritischer Essayist hauptsächlich in Wien.
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