Alain und Mausi, beide vierzig, sind seit fünfzehn Jahren verheiratet. Nicht nur ihr Leben, auch ihre Liebe ist in die Jahre gekommen. Man pflegt einen gehobenen, bürgerlich-alternativen Lebensstil, bei dem Opernbesuche und gutes Essen an die Stelle der Leidenschaft getreten sind. Als überraschend die gemeinsame Freundin Elfie stirbt, ist Mausi in ihrer Wohnung in Berlin und Alain auf einem Übersetzerkongress in Köln.
Es ist ein Tag im Juni 2004. Bei beiden reissen alte Wunden auf: Elfie, das war eine alte Freundin aus den Tagen in der Freiburger Wohngemeinschaft. 1983 hat man einen Sommer an der französischen Atlantikküste verbracht, den keiner vergessen wird. Aber was hat die Zeit aus ihnen gemacht? Justus und Inge sind Spiesser geworden, Norbert ist an Aids gestorben, Toby spurlos verschwunden. Die heimliche Sehnsucht und die Jagd nach dem verlorenen Glück lässt die Übriggebliebenen nicht los. Aber was ist Glück? Später weiss man es.
Arnold Stadler: Rauschzeit. Roman. S. Fischerverlag, Frankfurt am Main 2016
Arnold Stadler
Geboren 1954 in Messkirch | Baden. Er wuchs auf einem Bauernhof im Dorf Rast bei Messkirch auf. Nach dem Abitur am Martin-Heidegger-Gymnasium in Messkirch studierte er in München, Rom und Freiburg im Breisgau Theologie und anschliessend Germanistik in Bonn und Köln. 1986 promovierte er mit der Dissertation „Das Buch der Psalmen und die deutschsprachige Lyrik des 20. Jahrhunderts“. In den neunziger Jahren übersetzte er Psalmen aus dem Hebräischen und versuchte, sie in eine lebendige Sprache zu bringen.
Nach ausgedehnten Reisen u.a. nach Südamerika und in den Nahen und Fernen Osten machte Arnold Stadler in den achtziger Jahren das Schreiben zu seinem Beruf. Kritikern gilt er inzwischen als einer der „virtuosesten Erzähler deutscher Sprache“ (FAZ). Kaum einem wie ihm gelingt es, so witzig und pointiert, schalkhaft und entlarvend, spitzbübisch und lapidar die Bedingungen der menschlichen Existenz im Allgemeinen und der Beziehungen im Speziellen darzustellen, dass es zum stürmischen Lachen reizt.
Arnold Stadler debütierte 1986 mit dem Lyrikband „Kein Herz und keine Seele. Man muss es singen können“. Als drei Jahre später mit „Ich war einmal“ (1989) der erste Roman erschien, würdigte der Schriftsteller Martin Walser den Auftakt als „Beginn einer epischen Entfaltung“. 1992 vervollständigte Stalder mit „Feuerland“ und 1994 mit „Mein Hund, meine Sau, mein Leben“ die Romantrilogie, die sich um eine unerklärliche Begierde um die Heimat dreht, dieses „Mutter-Land“ über dem westlichen Bodensee, dem Landstrich zwischen Rast, Messkirch und Schwackenreute.
Seine Helden sind gefangen in der Pein der Heimatliebe und unbändigen Distanzierungsversuchen. Der Wechsel von Verschlingen und Versinken, von Unterdrücken und Erliegen, von Abschied und Sehnsucht gehört zu den dynamischen Grundbewegungen von Arnold Stadlers Werk, aber am schönsten lässt sich die unlösbare Ambivalenz in dieser Romantrilogie beobachten. Martin Walser wies zu Recht darauf hin, dass sich in Stadlers Romanen in einem einzigen Satz eine ganze „Existenzdimension“ abbilde.
1999 wurde Arnold Stadler mit der wichtigsten deutschen Auszeichnung, dem Georg-Büchner-Preis, geehrt.
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